Referenzen
LUST AUF GUT Magazin | Starnberg Ammersee Nr. 195
Erscheinungsdatum: 17.07.2021
Vernissage im Dezember 2018:
Alexandra Hesselmann stellt im „Salon für Kunst und Kommunikation, Clemensstraße 9“ ihre neuen bildnerische Werke aus.
Einführung
Wenn ein Kunstwerk sich tief in unser Gedächtnis einprägt, weil es eindringlich ist und uns im Innersten berührt, ist das ein selten beglückender Moment in einer Ausstellung. Und schon der erste Blick in den Bilderkosmos von Alexandra Hesselmann , den die Künstlerin hier in den Räumen des „Salons für Kunst und Kommunikation“ präsentiert, lässt uns einen solch unvergesslichen Moment erleben: Denn unvermittelt treffen wir schon im ersten Raum auf die gewaltige physische Präsenz eines Elefanten auf einem überdimensional großen Bildträger, dessen intensive Ausstrahlung uns sofort in seinen Bann zieht. Ungewöhnlich ist die frontale Ansicht, mit der das mächtige Tier auf uns zukommt, denn sie zeigt uns nur seine imposante Kopfpartie, während sein riesiger Körper fast dahinter verschwindet und nur noch symbolhaft angedeutet wird. Schon hier wird deutlich, dass die Künstlerin keineswegs ein naturalistisches Abbild ihres exotischen Tieres beabsichtigt, sondern vielmehr ihr Interesse auf seine spezifischen äußeren Elemente richtet, die sie durch wenige Formveränderungen so verfremdet, dass sie auch auf sein Inneres hinweisen. So fallen zuerst die beiden Ohrenlappen in Übergröße in den Blick, sowie auch die zwei in die Länge gezogenen weißen Stoßzähne, die rechts und links den Rüssel begleiten, ebenso auch dessen unrealistische Länge, die noch über den unteren Bildrand hinausdrängt. Durch diese ungewöhnliche Bildfindung lässt die Künstlerin das vermeintlich Vertraute wieder zu etwas Unvertrautem mutieren und zwingt uns dadurch zu einer neuen, noch unverbrauchten Wahrnehmung eines uns scheinbar schon hinreichend bekannten Tieres. Faszinierend an dieser Darstellung ist noch etwas ganz anderes: Keine einzige Regung zeigt sich in dieser mächtigen, fremdartigen Physiognomie, und doch: In zwei winzige Stellen im oberen Grau der Elefantenhaut glimmt etwas Geheimnisvolles auf: Es ist das Leben in seine Augen mit einem Blick, der nach innen gerichtet ist und sich auf etwas ganz andres fixiert als auf die Außenwelt. „Er lauscht auf die Stille hinter den Geräuschen“, so die Künstlerin. Ein Satz, der -so sagte mir Alexandra Hesselmann- der ihr Leben veränderte.
Hervorheben möchte ich noch ein anderes Porträt eines bekannten und exotischen Tieres, das ebenfalls aus der außereuropäischen Welt stammt: den „König der Wüste“, den Löwen. Die Künstlerin scheint ein absolutes Gehör für das innere Wesen der von ihr porträtierten Tiere zu haben, denn auch in dieser Arbeit gelingt es ihr, durch das geringfügige Verfremden der zu diesem Protagonisten gehörenden äußeren Elemente , auch sein Innerstes erlebbar zu machen. In dieser Bildidee ist es der mächtige Kopf des Löwen mit dem nicht zu toppenden Machtsymbol seiner Mähne, auf den die Künstlerin ihren Fokus legt: Er füllt fast den ganzen Bildraum aus, sein Körper wird nur symbolhaft auf ein mächtiges Bein und eine undefinierbare Struktur reduziert. So überschreitet die Künstlerin auch in dieser Arbeit die Grenzen der Realität und visualisiert nur das für dieses faszinierende Raubtier Wesentliche: Außer der wunderbar licht dargestellten Mähne sind es seine elementare Sinnesorgane, die in diesem Bild dominieren: Unübersehbar ragen klar seine beiden Ohren aus dem Mähnengewusel heraus, aber auch die Partie mit dem verschlossenem Mund oder der übergroßen Nase fällt auf. Überwältigend jedoch sind es seine Augen: Sein ruhiger und konzentrierter Blick sieht uns direkt an, nimmt Kontakt mit uns auf und wir können die unbändige Energie seines innersten Wesens fühlen. Aber auch die Spannung einer gewaltigen Kraft wird spürbar, die in jedem Augenblick -ausgelöst durch einen Reiz- auch seine höchst gefährliche Wesensseite aktivieren kann. Ungewöhnlich ist auch das stilistische Medium, mit dem die Künstlerin ihre Tierporträts kreiert: Es ist die Zeichnung. Ein Genre, das in der gegenwärtigen Kunstszene äußerst selten anzutreffen ist, denn nicht jeder Kunstschaffende beherrscht diese auf einer besonderen Begabung beruhende Fähigkeit so meisterhaft wie Alexandra Hesselmann. Man wird bei ihren bildnerischen Kreationen unweigerlich an eine Aussage des italienischen Künstler Enzo Cucci erinnert, für den die Zeichnung eine „göttlich Potenz“ hat, denn sie stehe -so er- dem „schöpferischen Geist am nächsten“. Mit nadelspitzdünnen Strichen, die sich an manchen Stellen zu unterschiedlich opakten Flächen und Linien verdichten, vermag Alexandra Hesselmann unglaublich lebendige Tierwesen mit artspezifischem Charakter zu kreieren, was tatsächlich einem künstlerischen Schöpfertum gleichkommt.
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick in eine ganz andere bildnerische Welt dieser Künstlerin, die einen Großteil ihres bildnerischen Oeuvres ausmacht. Es ist ihr malerisches Werk, von dem in diesen Räumen nur einige Exponate zu sehen sind. Aber diese zeugen schon von dem großen Nuancenreichtum an Farben, an abstrakten, oft geo-metrischen, oft auch figürlichen Formen in ihren Bildkompositionen. Eine rätselhafte suggestive Kraft geht von diesen assoziationsfähigen und deutungsoffenen malerischen Bildern aus, die auf ungewöhnliche Weise Märchenhaftes, Mythisches und Unterbewusstes heraufzubeschwören und sichtbar zu machen vermögen.
Es kommt in der Kunst immer darauf an, das Neue im Bekannten zu sehen, das so noch nie dagewesene: Ein Anspruch den diese hier ausgestellten Werke von Alexandra Hesselmann mit hoher Qualität erfüllt.
Gudrun Bouchard - Kuratorin - Goethe-Institut München